Daumen drücken für die sieben hessischen Exzellenzanträge
Die Exzellenzcluster-Bewerbungen der Universitäten Darmstadt, Frankfurt, Gießen und Marburg sind abgeschlossen. Entscheidung fällt im Mai.
Wiesbaden. Alle sieben hessischen Exzellenzcluster-Vollanträge der Technischen Universität Darmstadt, der Goethe-Universität Frankfurt am Main, der Justus-Liebig-Universität Gießen und der Philipps-Universität Marburg haben die letzte Aufgabe im Exzellenzcluster-Wettbewerb von Bund und Ländern absolviert. Am 29. Januar 2025 wurde das Bewerbungsverfahren abgeschlossen, jetzt heißt es Daumen drücken. Die Förderentscheidungen fallen im Mai 2025.
International herausragende Forschungsprojekte
Im Wettbewerb, durchgeführt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Wissenschaftsrat, wurden die hessischen Anträge für Exzellenzcluster im Zeitraum von November 2024 bis Januar 2025 in Bonn begutachtet. Dazu hat eine Kommission aus international herausragenden Expertinnen und Experten jedes Projekt einen halben Tag lang intensiv geprüft. Mit den Exzellenzclustern fördern Bund und Länder international herausragende Forschungsbereiche in Universitäten, auch in Kooperation mit anderen Universitäten oder Forschungseinrichtungen. Bundesweit können bis zu 70 Exzellenzcluster mit einem Umfang von je drei bis zehn Millionen Euro jährlich gefördert werden. Die Förderung beginnt am 1. Januar 2026 und erstreckt sich über sieben Jahre.
Wissenschafts- und Forschungsminister Timon Gremmels erklärt: „Die Exzellenzstrategie ist für die Leistungsfähigkeit und für die Sichtbarkeit des Wissenschaftsstandortes Hessen von enormer Bedeutung. Deshalb hat unser Ministerium den Ausbau und die Profilierung in der Spitzenforschung stark unterstützt – auch finanziell. Die Bewerbung ist geschafft, ich drücke den Projekten jetzt die Daumen. Die Basis für diese Forschungsvorhaben wurde durch eine konsequente, langfristig orientierte Schwerpunktsetzung in der Forschung gelegt. Mein Dank gilt den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die diese Projekte mit viel Einsatz über Jahre hinweg entwickelt und vorbereitet haben und den Universitätspräsidien für die konsequente Unterstützung.“
Um die Unterstützung des Landes für die hessischen Initiativen auch gegenüber den Gutachterinnen und Gutachtern zu verdeutlichen, hat Staatssekretär Christoph Degen persönlich in Bonn alle Begutachtungen landesseitig begleitet. „Ich bin tief beeindruckt von den Projekten. In den Begutachtungen war zu spüren, wie sehr die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für ihre Forschung brennen. Sie haben Forschungskonzepte entwickelt, die von Hessen aus international strahlen und international Maßstäbe setzen.
Am 22. Mai 2025 entscheidet die Exzellenzkommission, bestehend aus international renommierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und den Wissenschaftsministerinnen und -ministern des Bundes und der Länder, welche der bundesweit 98 Anträge die Förderung als Exzellenzcluster erhalten. Ein Erfolg in der ersten Förderlinie bietet die Chance auf weitere bis zu 15 Millionen Euro Fördermittel jährlich pro Universität in der zweiten Förderlinie „Exzellenzuniversitäten“, da der Titel eine Mindestzahl von zwei Clustern beziehungsweise von drei Clustern bei einer Antragstellung im Verbund mehrerer Universitäten voraussetzt. Aktuell haben alle vier im Wettbewerb stehenden hessischen Universitäten noch die Aussicht auf eine Antragstellung in der zweiten Förderlinie.
Stimmen der Hochschulleitungen
Die Präsidentin der Technischen Universität Darmstadt, Tanja Brühl, sagt: „Unsere drei Clusteranträge RAI, TAM – mit den Universitäten Gießen und Marburg – und CoM2Life – mit der Universität Mainz – bearbeiten wichtige Zukunftsthemen interdisziplinär – von Künstlicher Intelligenz über die Kognitions- und Neurowissenschaften bis hin zu Biomaterialen. Wir sind überzeugt: Exzellente Grundlagenforschung soll auch einen Beitrag für die Gesellschaft und Wirtschaft leisten. Gemeinsam haben wir unser Bestes gegeben und blicken nun optimistisch in die Zukunft. Ich danke allen Beteiligten für die Entwicklung der Forschungsprojekte und dem Land Hessen für die wichtige finanzielle Unterstützung in der Vorbereitung. Im Erfolgsfall freuen wir uns auf weitere Schritte mit der Allianz der Rhein-Main-Universitäten (RMU).“
„Die Verantwortlichen in unseren Projekten haben sich engagiert ins Zeug gelegt und bei den Begutachtungen einen tollen Auftritt hingelegt – vielen Dank dafür“, erklärt Prof. Dr. Enrico Schleiff, Präsident der Goethe-Universität Frankfurt. „Jetzt heißt es Daumen drücken, denn die Konkurrenz ist hart. Wir haben uns fest vorgenommen, dass wir gemeinsam mit unseren Partneruniversitäten in Darmstadt und Mainz als Rhein-Main-Universitäten am Wettbewerb in der zweiten Förderlinie teilnehmen, wenn wir die Voraussetzungen erfüllen.“
„Die Forschungs- und Leistungsstärke der Teams der beiden Bestandscluster CPI und POLiS und der neuen Initiative TAM, die sich auch in den Begutachtungen gezeigt haben, haben mich sehr beeindruckt“, betont die Präsidentin der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU), Prof. Dr. Katharina Lorenz. „Unsere Forschenden in den drei Exzellenzcluster-Anträgen haben kräftezehrende Monate hinter sich, in denen sie alles gegeben haben. Jetzt bleibt uns nur noch: Daumen drücken, damit am Ende der verdiente Lohn eingefahren werden kann.“
„Unsere Cluster M4C – gemeinsam mit dem Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie – und TAM – gemeinsam mit der Universität Gießen und der TU Darmstadt – fokussieren auf große Herausforderungen unserer Zeit. Unterschiedlichste Wissenschaftsdisziplinen arbeiten zusammen in der Grundlagenforschung und überführen ihre Erkenntnisse in die Anwendung“, sagt der Präsident der Philipps-Universität Marburg, Prof. Dr. Thomas Nauss. „Ich bin unseren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und allen Beteiligten in der Universität und der Landesregierung, die sich über Jahre für einen Erfolg in dieser Antragsrunde und für die Universität Marburg engagiert haben, sehr dankbar und drücke die Daumen, dass wir mit einem Erfolg belohnt werden.“
1,4 Millionen vom Land
Das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur (HMWK) hat in den vergangenen Jahren – gemeinsam mit den Universitäten – ausgewählte Forschungsgebiete strategisch ausgebaut und durch verschiedene Maßnahmen gezielt auf die Exzellenzstrategie vorbereitet. Allein im Jahr 2024 wurden 1,4 Millionen Euro zur Stärkung der Exzellenzbereiche zur Verfügung gestellt. Zusätzlich erhielten alle zur Vollantragstellung aufgeforderten Vorhaben, die Möglichkeit eine mit bis zu drei Millionen Euro ausgestattete LOEWE-Spitzen-Professur einzurichten.
Mit den folgenden sieben Projekten sind die hessischen Universitäten im Exzellenzcluster-Wettbewerb aussichtsreich positioniert:
„CoM2Life“, Universität Darmstadt
„CoM2Life“ will eine radikal neue Generation an weichen Biomaterialien entwickeln, die auf Prinzipien lebender Systeme basieren und eine dauerhafte, wechselseitige Kommunikation mit biologischen Systemen ermöglichen. Damit können dann zum Beispiel Materialien für interaktive Krebsimmuntherapie und Geweberegeneration gewonnen, Tierversuche ersetzt oder künstliche Organe geschaffen werden. „CoM2Life“ ist ein Zusammenschluss der JGU Mainz, der TU Darmstadt und des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung und verbindet naturwissenschaftliche Exzellenz mit Expertise aus den Kommunikationswissenschaften, um auch der Herausforderung von Fehlinformationen in diesem hochinnovativen Forschungsgebiet zu begegnen.
„CPI“, Universitäten Gießen, Frankfurt
Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems gehen häufig einher mit Lungenkrankheiten. Ziel des Exzellenzclusters „Cardio-Pulmonary Institute“ ist es zu verstehen, welche molekular-biologischen Prozesse dem Funktionieren dieser Organe und ihrem Versagen bei Erkrankungen zugrunde liegen. Das hessische Exzellenzcluster „CPI“ wurde bereits im Rahmen der Exzellenzinitiative – dem Vorgängerprogramm der Exzellenzstrategie – von 2006 bis 2018 gefördert. 2019 war es erneut mit einem thematisch neuen Ansatz erfolgreich. Bei „CPI“ kooperieren die Universitäten Gießen und Frankfurt und das „Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung“ in Bad Nauheim.
„M4C“, Universität Marburg
Grund der Klimakrise ist im Wesentlichen ein menschengemachtes Ungleichgewicht im Kohlenstoffkreislauf. Mikroorganismen spielen bei der Bildung und Umsetzung von Treibhausgasen eine Schlüsselrolle. Gleichzeitig bieten sie auch Möglichkeiten, diese Treibhausgase in klimaunschädliche Moleküle umzuwandeln. Im Exzellenzcluster „Microbes for Climate (M4C)“ wollen die Philipps-Universität Marburg und das Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie mit ihren gemeinsamen Zentren für Synthetische Mikrobiologie SYNMIKRO und dem Zentrum Mikrokosmos Erde die Wissensgrundlage für einen zukünftig ausgeglichenen Kohlenstoffkreislauf schaffen. Die Forschenden klären die grundlegenden Mechanismen der mikrobiellen Beiträge zum Klimawandel auf, rekonstruieren, wie sie in der Erdgeschichte entstanden sind, und entwickeln effizientere Wege zur nachhaltigen Umwandlung von Treibhausgasen.
„POLiS“, Universität Gießen
Batterien haben die technologische Revolution der mobilen Geräte erst ermöglicht. Gleichzeitig spielen sie eine zentrale Rolle bei der Energie- und Verkehrswende. Das Exzellenzcluster „POLiS – Post Lithium Storage Cluster of Excellence“ betreibt Batterieforschung an Zukunftsbatterien, die leistungsfähiger, zuverlässiger, nachhaltiger und umweltfreundlicher sind als die derzeitigen Lithium-Ionen-Batterien. An dem laufenden Exzellenzcluster der Universitäten Ulm und Karlsruhe ist die Universität Gießen bereits beteiligt und fungiert nun als Mitantragstellerin.
„RAI“, Universität Darmstadt
Aktuellen Systemen der künstlichen Intelligenz (KI) mangelt es an logischem Denkvermögen, sie haben Schwierigkeiten im Umgang mit neuen Situationen, müssen kontinuierlich angepasst werden und benötigen umfangreiche Ressourcen. Der geplante Exzellenzcluster „Vernünftige Künstliche Intelligenz” unter Federführung der TU Darmstadt in Zusammenarbeit mit den Universitäten Frankfurt, Tübingen, Saarland, Bremen und Würzburg strebt die Entwicklung der nächsten Generation von KI an, der „Reasonable Artificial Intelligence (RAI)“: KI-Systeme, die mit einer „vernünftigen” Menge an Ressourcen auf Basis „vernünftiger Datenqualität” und „vernünftigen” Datenschutzes lernen. Sie sind mit gesundem Menschenverstand und der Fähigkeit, mit neuen Situationen und Kontexten umzugehen, ausgestattet und basieren auf Trainingsparadigmen, die eine kontinuierliche Verbesserung, Interaktion und Anpassung ermöglichen.
„SCALE“, Universität Frankfurt
Zellen bestehen aus Milliarden von Molekülen, die von Einzelmolekülen über große Molekülkomplexe bis hin zu Organellen organisiert sind. Zwar sind die Funktionen vieler einzelner Moleküle bekannt, doch ist noch unklar, wie die Architektur im Innern einer Zelle entsteht, funktioniert und wie die Teile interagieren. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von „SCALE“, angesiedelt an der Goethe-Universität, wollen die Selbstorganisationsprinzipien der Zelle aufdecken und eine räumlich wie zeitlich hochaufgelöste Simulation der Zelle erstellen, um besser zu verstehen, wie Zellen wirklich funktionieren und wie ihre verschiedenen „Maschinen“ zusammenarbeiten.
„TAM“, Universitäten Gießen, Marburg, Darmstadt
Ziel des Projekts ist, grundlegende Prozesse der menschlichen Wahrnehmung, des Denkens und Verhaltens zu verstehen, die es ermöglichen, sich an ständig verändernde Bedingungen anzupassen. Die Zusammenarbeit zwischen der Justus-Liebig-Universität Gießen, der Philipps-Universität Marburg und der TU Darmstadt vereint Forschende aus der Psychologie, den Kognitions- und Neurowissenschaften mit Expertinnen und Experten für Künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen und Robotik, um universelle Prinzipien der menschlichen Anpassungsfähigkeit zu entschlüsseln. Die Erkenntnisse werden in Computermodelle eingespeist, die sowohl die Erfolge als auch Grenzen des menschlichen Geists imitieren, vorhersagen und erklären können. Diese Erkenntnisse spielen eine Rolle für die Grundlagenforschung, die psychische Gesundheit und die Entwicklung sicherer KI- und Robotertechnologie.