Schulalltag kommt an die Universität

Das Projekt "PlanL" ergänzt die Lehrkräftebildung auf besondere Weise: Angehende Lehrer*innen simulieren Schule. Sie finden sich auf den Stühlen des Klassenzimmers wieder oder stehen an der Tafel, sie interpretieren Gedichte, lösen Gleichungen und tragen Konflikte aus. Prof. Dr. Margarete Imhof vom Psychologischen Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) etablierte diese besondere Form des Planspiels in Mainz. Im Winter 2023 ging PlanL als Kooperationsprojekt der strategischen Allianz der Rhein-Main-Universitäten (RMU) mit einer gründlichen Überarbeitung und Modernisierung an den Start.

Prof. Dr. Margarete Imhof von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Dr. Silke Haas von der Goethe-Universität Frankfurt und Dr. Maria Theresa Meßner, Schulpädagogin an der TU Darmstadt

Prof. Dr. Margarete Imhof von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Dr. Silke Haas von der Goethe-Universität Frankfurt und Dr. Maria Theresa Meßner von der TU Darmstadt (Bild: Stefan F. Sämmer/JGU).

Es begann 2013. Prof. Dr. Margarete Imhof brachte mit dem "Planspiel Schulalltag" ein außergewöhnliches Projekt an die JGU: Lehramtsstudierende spielten Schule. Sie schlüpften in die Rolle des amtsmüden Paukers oder der hoch engagierten Referendarin, der übereifrigen Schülerin und des nervigen Klassenclowns. Sie setzten eine Unterrichtssimulation in Szene, wie sie realistischer kaum sein konnte. Die Studierenden erlebten Schule. Dieses völlig neue Konzept, entwickelt von Prof. Dr. Ulrike Starker am Lehrstuhl für Empirische Bildungsforschung der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, war von der ersten Veranstaltung an ein großer Erfolg in Mainz.

Imhof, die am Psychologischen Institut der JGU seit 2008 die Abteilung Psychologie in den Bildungswissenschaften aufgebaut hatte, schnitt diese Neuerung auf Mainzer Bedürfnisse zu. Sie entwickelte ein im mehrfachen Sinn kompaktes Angebot: Das gesamte Material inklusive Rollenanweisungen, Klassenbüchern und Unterrichtshilfen passte in einen großen Metallkoffer. Wenn der sich öffnete, begann das "Planspiel Schulalltag". Imhof wollte dieses Projekt weiterentwickeln. Ideen hatte sie genug. "Wir könnten zum Beispiel einen Schüler mit Förderbedarf einbauen", überlegte sie seinerzeit. Das Thema Inklusion könnte eine zusätzliche wertvolle Perspektive in die Simulation bringen.

Simulation wächst und wird aktualisiert

Gut zehn Jahre später begrüßt Imhof Gäste in ihrem Büro: Dr. Maria Theresa Meßner von der Technischen Universität Darmstadt und Dr. Silke Haas von der Goethe-Universität Frankfurt sind nach Mainz gekommen. Die drei wollen eine Zwischenbilanz ziehen und erzählen, was aus dem Planspiel von einst geworden ist, denn tatsächlich hat sich einiges getan: Im Zuge der 2015 ins Leben gerufenen strategischen Allianz der Rhein-Main-Universitäten (RMU) kamen eine ganze Reihe von Kooperationen zwischen Frankfurt, Darmstadt und Mainz zustande. Eine davon ist "PlanL – Planspiele in der Lehrkräftebildung", das im Dezember 2023 startete.

"Es stellte sich heraus, dass es sowohl in Darmstadt als auch in Frankfurt Planspiel-begeisterte Menschen gibt – und sie stammen auch noch aus sehr unterschiedlichen Fachrichtungen", erzählt Imhof mit Blick auf ihren Besuch. Haas vom Institut für Sportwissenschaft der Goethe-Universität nimmt das Stichwort auf: "Ich vertrete dort die Fachdidaktik." "Und ich komme vom Arbeitsbereich Schulpädagogik im Kontext von Heterogenität an der Technischen Universität Darmstadt", ergänzt Meßner. Dort lehrt Prof. Dr. Katja Adl-Amini, die PlanL federführend leitet und sich intensiv mit Inklusion beschäftigt. "Sie brachte diesen Aspekt noch mal stärker in unser gemeinsames Projekt ein."

"Ich fand das 'Planspiel Schule' toll, aber es war auch in die Jahre gekommen", gesteht Imhof. "Wir wollten es renovieren." "Erst einmal haben wir die Rollen ergänzt, um neben der Inklusion auch Themen wie Rassismus, geschlechtliche Vielfalt oder Hochbegabung stärker einzubeziehen", so Meßner. Abgesehen von neuen Schüler*innen-Rollen wurden Förderkräfte oder Schulsozialarbeiter*innen ins Repertoire aufgenommen. "Damit können wir jetzt auch multiprofessionelle Teams simulieren." Als Rahmen ist eine fiktive Schule entstanden, mit eigener Homepage und digitalen Lehrmaterialien.

Zudem wurde eine zweite Spielphase ergänzt, in der die Studierenden ein Klassenforum simulieren. Dort sollen Weiterentwicklungsmöglichkeiten von Schule und Unterricht diskutiert werden. Ziel ist es, Schule zu spielen, wie sie sein könnte und dadurch eigene Grundannahmen zu überdenken. In diesen Prozess waren auch studentische Mitarbeiter*innen und abgeordnete Lehrkräfte maßgeblich involviert.

Digital, modular und flexibel

"In einem weiteren wichtigen Schritt entwickelten wir eine digitale Lerneinheit, in der das Planspiel auf der Lernplattform Moodle abgebildet ist", erzählt Imhof. Dort ist alles abzurufen, was zum "Neuen Schulalltag" gehört. Haas berichtet: "Das Material hat sich sehr differenziert, um verschiedensten Ansprüchen gerecht zu werden. In Frankfurt benutzen wir es, um den Sportunterricht durchzuspielen. Der findet weiterhin vor allem analog statt. In anderen Fächern hingegen spielen digitale Medien eine größere Rolle. Das alles decken wir ab."

"Das Planspiel ist flexibler geworden", sagt Imhof. "Mit der digitalen Version können wir unsere Materialien je nach gewünschtem Thema problemlos zusammenstellen. Es gelingt uns so, die Realität noch mal besser abzubilden." "Das Modulare erlaubt es uns auch, PlanL an allen Standorten einzusetzen", betont Meßner. "Wir haben ein Grundgerüst geschaffen, das für jedes der drei Fachgebiete – Pädagogische Psychologie, Schulpädagogik und Fachdidaktik Sport – anwendbar ist." Hier zeigt sich auch, wie wertvoll es ist, wenn die Expertisen aus den drei Standorten zusammenkommen, wenn es möglich wird, dass alle Lehrenden und Studierenden gemeinsam an einem digitalen Fundus arbeiten.

"Bei uns in Hessen verbinden wir PlanL mit dem neu eingeführten Praxissemester", erzählt Haas. "Alle Lehramtsstudierenden durchlaufen eine Vorbereitung, in die wir unser Planspiel integrieren. Das wird noch mal deutlich anspruchsvoller als der jetzige Einsatz, aber wir können auf unsere besondere Stärke, die Theorie-Praxis-Verknüpfung, bauen."

"In Mainz gehört das Planspiel mittlerweile zum Standard", sagt Imhof. "Es findet einmal pro Semester statt und ist immer stark nachgefragt, obwohl es nicht zum Pflichtprogramm gehört: Man kann auch ein normales Proseminar belegen. Aber unsere Studierenden wollen ja mehr Praxisverknüpfung, das hören wir immer wieder, und die bekommen sie mit PlanL." Da sind sich alle Beteiligten einig.

Einladung zum Perspektivwechsel

"Für PlanL hatten wir eine tolle Ausgangslage, weil wir so viele unterschiedliche Perspektiven einbringen konnten", so Meßner. "Dass wir aus unterschiedlichen Fächern kommen, hat nicht nur dem Projekt gutgetan. Wir konnten viel voneinander lernen." Für ein Jahr wurde PlanL vom RMU-Initiativfonds Lehre unterstützt. "Das ist die übliche Förderungsdauer. Ich hoffe aber, dass wir unser Projekt an allen drei Universitäten fest verankern können."

Pläne gäbe es weiterhin genug: "PlanL erlaubt es uns, Vorschläge und Ideen, die während der Simulation aufkommen, laufend in unser Material einzuarbeiten", sagt Haas. "Wir könnten zum Beispiel die Idee hineinbringen, dass man Schule verändern kann, dass man Klassenzimmer umräumen und Zeiten umorganisieren kann. Schule ist gestaltbar." "Wir möchten immer wieder zum Perspektivwechsel anregen", ergänzt Meßner. "Dafür ist unser Planspiel hervorragend geeignet, und damit können wir auch in Zukunft die Lehrkräftebildung an allen Standorten der RMU bereichern."

Text: Gerd Blase

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