Im Zentrum für Interdisziplinäre Afrikaforschung, kurz ZIAF, an der Goethe-Universität Frankfurt schmücken Fotos vom Lake Malawi die Bürowände. Sie zeigen Fischerboote – mal vor dem Blau des Wassers, mal rot gefärbt von der Dämmerung. Dr. Stefan Schmid hat die Bilder selbst in Ostafrika aufgenommen. Der Geograf koordiniert in Frankfurt gemeinsam mit der Biologin Dr. Karen Hahn die Projekte, Aktivitäten und Veranstaltungen des Zentrums. "Seit 2003 existiert das ZIAF als explizite Organisationsstruktur – mit der Besonderheit, dass wir eines der wenigen Zentren in Deutschland sind, das nicht an einen speziellen Fachbereich angebunden ist. Wir arbeiten komplett interdisziplinär", erzählt Dr. Stefan Schmid. "Das Präsidium der Goethe-Universität hatte sich seinerzeit entschlossen, das ZIAF zu gründen und Geld dafür zur Verfügung zu stellen."
Mit der Gründung der Initiative Afrikaforschung Rhein-Main durch die Universitäten Frankfurt, Mainz und Darmstadt im Mai 2016 können nun alle drei Standorte vom ZIAF profitieren. "Da wir bereits entsprechende Strukturen etabliert haben, ist es nur sinnvoll, diese auch universitätsübergreifend einzusetzen", betont Dr. Karen Hahn. "Dabei waren wir uns bei der Gründung der Afrikaforschung Rhein-Main einig, dass wir das nicht extra formalisieren müssen. Für uns steht die Forschung im Vordergrund, daneben schauen wir sehr pragmatisch, was an Koordination durch das ZIAF sinnvoll ist."
Das Frankfurter Zentrum, dem neben aktuell rund 80 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus sieben Fachbereichen der Goethe-Universität auch assoziierte Mitglieder wie das Senckenberg Forschungsinstitut, das Institut für sozialökologische Forschung (ISOE) und das Frobenius-Institut angehören, hat entsprechend Gewicht in der neuen Kooperation Afrikaforschung der Rhein-Main-Universitäten. Zugleich sehen Hahn und Schmid aber auch die neuen Impulse, die durch den Zusammenschluss mit den Universitäten Mainz und Darmstadt entstehen. "Es ist beispielsweise bereits ein intensiverer Austausch zwischen den Botanikerinnen und Botanikern in Mainz und Frankfurt entstanden", erzählt Hahn. "Man schaut, woran der andere arbeitet und wie sich das mit dem eigenen Forschungsfeld ergänzen könnte." Verwandte Disziplinen haben sich hinzugesellt, Pläne für ein Verbundprojekt im Bereich Gen-Evolution und Ökologie werden geschmiedet. "Außerdem hat sich eine Gruppe von Postdocs, Doktorandinnen und Doktoranden zusammengefunden. Auch da wird sich einiges tun."
Neue Impulse erwartet Hahn auch für das DFG-Projekt AFRASO – Africa's Asian Options, das Verbindungen zwischen Asien und Afrika erforscht. "Das Projekt befindet sich aktuell in der Auslaufphase und wir werden an einem Konzept für ein Nachfolgeprojekt arbeiten." Schmidt könnte sich vorstellen, dass die Verbindungen Afrikas zu verschiedensten Regionen thematisiert werden. "Einer der großen Investoren in Afrika ist die Türkei, was bei uns gar nicht so bekannt ist."
Mit der neuen Kooperation wird die Afrikaforschung nicht neu erfunden, aber sie bekommt an den Standorten Frankfurt, Mainz und Darmstadt neue Impulse und wird auf eine noch breitere Basis gestellt. "In vielem knüpfen wir an Bestehendes an", stellt Schmid klar. "Das ZIAF hatte zum Beispiel eine Nachwuchsveranstaltung über ethische Fragen zur Forschung in Afrika angeboten. Diese Einzelveranstaltung haben wir nun zu einem Seminar ausgebaut und laden auch die Mainzer und Darmstädter dazu ein."
Überhaupt sollen die bestehenden Strukturen noch stärker allen drei Partnern zur Verfügung stehen. Schmid zählt Sammlungen wie das Felsbildarchiv des Frobenius-Instituts oder das ehemalige DFG-Sondersammelgebiet Afrika der Frankfurter Universitätsbibliothek auf: "Es ist die mit Abstand größte Sammlung an geistes-, kultur- und sozialwissenschaftlicher Literatur aus dem subsaharischen Raum." Auch an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz existieren etwa mit der Jahn-Bibliothek für afrikanische Literaturen und dem Archiv für die Musik Afrikas einzigartige und wertvolle Sammlungen. "Etwas Vergleichbares gibt es allenfalls in den USA", merkt Prof. Dr. Thomas Bierschenk vom Institut für Ethnologie und Afrikastudien der JGU an. "Und unsere Ethnografische Studiensammlung könnte der Grundstock für ein Museum sein.
Schmid schaut hinüber zu den Fotos aus Malawi. "Natürlich sollten wir auch unsere Infrastrukturen in den jeweiligen afrikanischen Ländern gemeinsam nutzen. Wir haben zum Beispiel ein Zentrum in Mali und eines in Malawi. Beide wären prädestiniert für eine gemeinsame Lehrforschungsreise. Über unser Kultur- und Museumszentrum in Karonga gibt es bereits eine Dissertation aus Mainz."
Prof. Dr. Thomas Bierschenk vom Institut für Ethnologie und Afrikastudien der JGU hat nicht nur den afrikanischen Kontinent im Blick, wenn er aus Mainzer Sicht über die Initiative Afrikaforschung Rhein-Main redet. Er schaut auch auf die Forschungslandschaft allgemein und auf die Rolle, die das Projekt dort spielen wird: "Es gibt nur wenige große Zentren der Afrikaforschung in Deutschland", meint er. "Berlin etwa ist sehr rege, aber die dortigen Aktivitäten sind nicht besonders koordiniert. An der Universität Bayreuth findet sich traditionell ein besonderer Schwerpunkt und dort ist wahrscheinlich europaweit das größte Zentrum für Afrikaforschung. Aber mit unserer Kooperation können wir nun durchaus mithalten. Unsere Zentren in Frankfurt und Mainz sind für sich schon bedeutend, zusammen und gemeinsam mit Darmstadt sind wir groß."
An der konkreten Ausgestaltung dieser neuen Größe arbeiten die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf vielen Ebenen. "Ein ganz konkretes Projekt ist die Besetzung zweier Professuren in Frankfurt und Mainz, die mehr oder weniger gleichzeitig frei wurden", erzählt Bierschenk. Im Bereich der Afrikawissenschaften verfügen beide Standorte aktuell lediglich über eine Linguistik-Professur. "Das ist bei über 3.000 verschiedenen afrikanischen Sprachen nicht gerade viel. Deswegen wollen wir uns ergänzen: Die Frankfurter konzentrieren sich auf die empirische Sprachwissenschaft, wir besetzen eine Professur für Soziolinguistik – und zusammen entwickeln wir einen gemeinsamen Studiengang. So können wir unser Angebot in den Sprachwissenschaften ausbauen und vervollständigen." Bierschenk kann sich vorstellen, dass dieses Modell weiter Schule macht: "Sowohl in Frankfurt als auch in Mainz steht ein Generationswechsel bevor. In den kommenden Jahren werden einige Professuren neu zu besetzen sein. Das können wir nutzen."
Von der Struktur her ergänzen sich die Afrikaforschung in Mainz und in Frankfurt wunderbar. "Die Frankfurter haben einen eher kleinen Kernbereich in der eigentlichen Afrikaforschung, dafür beschäftigen sich verschiedenste andere Fächern sehr stark mit dem Thema." In Mainz wiederum ist der Kernbereich stark. "Mit über 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist das Institut für Ethnologie und Afrikastudien auf dem Gutenberg-Campus eines der größten universitären Afrikazentren im sozial- und kulturwissenschaftlichen Bereich in Deutschland." Darmstadt nimmt noch mal eine besondere Position ein. "Dort gibt es zwar keine spezielle Afrikaforschung, aber die Kolleginnen und Kollegen sind in der Stadtplanung und der Technikgeschichte stark. Wir können gut kooperieren, wenn es zum Beispiel um die Entwicklung oder die Soziologie afrikanischer Städte geht."
Gemeinsam wollen Frankfurt, Mainz und Darmstadt die Afrikaforschung der drei Standorte miteinander vernetzen, ihre Angebote in Lehre und Wissenschaft koordinieren und schließlich neue Akzente in der Afrikaforschung setzen. Sie wollen aber auch Bewährtes fortführen und weiterentwickeln. Der Verbund ist groß, er kann vieles leisten.