Für Philosophie hat sich Marco Tamborini schon während seiner Schulzeit in Italien interessiert. Ausführlich las er all die Theorien und Abhandlungen Immanuel Kants. „Eine klassische Frage bei Kant ist die Technik der Natur“, erklärt er. Ein Thema, das ihn nicht mehr loslassen sollte. Vor allem die Biologie, ihre Geschichte und Philosophie im 19., 20. und 21. Jahrhundert fesselt Tamborini. Nach einem Bachelor- und Masterstudium in Theoretischer Philosophie an der Università degli Studi di Milano wählte er für seine Doktorarbeit das Land seines Vorbildes Kant.
Tiefenzeit der Erdgeschichte
Fasziniert von Paläontologie und der Philosophie der Evolutionsmorphologie – der Lehre von der Struktur und Form der Organismen – promovierte er an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg über die Geschichte der geologischen Tiefenzeit. Eine Zeitdimension vor Millionen oder gar Milliarden von Jahren, in denen langsame evolutionäre Prozesse stattfanden. „Die Tiefenzeit der Erdgeschichte beeinflusst auch die Methodik der Paläontologie als biologische Wissenschaft“, erklärt Tamborini, der während seiner Doktorarbeit am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte und danach am Museum für Naturkunde in Berlin arbeitete.
Gute Adresse für Technikphilosophie
2017 wechselte er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an das Institut für Philosophie an der TU Darmstadt. „Für Technikphilosophie ist die TU eine super Adresse“, lobt Dr. Marco Tamborini. Die Philosophie und Geschichte der Wissenschaften und Technowissenschaften ist das Fachgebiet des 34-Jährigen. Bei seiner Forschung geht es immer wieder auch um den Wissenstransfer zwischen den Disziplinen. Die Schnittstelle beispielsweise zwischen der philosophischen Auffassung von Maschine, Konstruktion und Organismus mit der Biologie, Architektur, dem Design und neuen Technologien wie Robotik, KI oder 3-D-Druck. „Entgrenzung ist ein großes Thema“, berichtet er. „Biologie wird Technik und Technik Biologie“, so der Postdoc, der 2017 mit dem „Everett Mendelsohn Prize“ des Journal of History of Biology ausgezeichnet wurde und 2020 eine Auszeichnung der Italienischen Gesellschaft für Wissenschaftsgeschichte für einen in der Zeitschrift History of Science veröffentlichten Artikel erhielt. Derzeit schreibt Tamborini an seiner Habilitation und an einem Buch über die „Die Architektur der Evolution“. Darin untersucht und beschreibt er die philosophischen und historischen Voraussetzungen der Evolutionsmorphologie des 20. Jahrhunderts.
Forschung in Cambridge
Zwischen den wissenschaftlichen Welten und Institutionen wandelt der junge Forscher immer wieder auch physisch. 2019 erhielt er ein „Ernst-Ludwig-Mobilitätsstipendium“ der TU und der „Vereinigung von Freunden der Technischen Universität Darmstadt“. Das Stipendium ermöglichte ihm einen mehrmonatigen Aufenthalt am Department of History an Philosophy of Science der renommierten University of Cambridge und am Clare Hall College Cambridge in England. Dort forschte er für seine Habilitation an einem Kapitel zur britischen Morphologie und einem ingenieurstechnischen Ansatz für den Organismus. Eine Rückkehr zu Immanuel Kants Begriff von der Technik der Natur.
Tamborini ist auf der Suche nach neuen Perspektiven, die sich durch Aufenthalte im Ausland ergeben. Oder auch durch „Heimspiele“: 2019 weilte er für einen Forschungsaufenthalt an der Scuola Normale Superiore di Pisa in Italien.
Fellow der Johanna Quandt Young Academy
Seit kurzem ist er zudem Fellow der Johanna Quandt Young Academy at Goethe (JQYA) und Mitglied der Jungen Akademie – Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz. Ein perfekter Botschafter also der RMU-Allianz der „Rhein-Main-Universitäten“ TU Darmstadt, Goethe-Universität Frankfurt und Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seine Aufgabe in den beiden Akademien ist der Wissensaustausch unter Forschenden, die Mitarbeit in Workshops, Arbeitsgruppen oder bei Tagungen. Marco Tamborini nennt das „Brücken bauen“. (alu)