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Promotionskolleg erforscht Strukturwandel afrikanischer Megastädte: Die TU Darmstadt und die Goethe-Universität Frankfurt erforschen in einem gemeinsamen Promotionskolleg den Strukturwandel afrikanischer Megastädte.
Das Nein für einen Förderantrag muss nicht zwangsläufig das Aus für ein Forschungsthema bedeuten. Diese Erfahrung hat der Darmstädter Raumplaner Prof. Dr. Jochen Monstadt gemacht, als 2011 der gemeinsame Antrag der TU und der Goethe-Universität für einen Sonderforschungsbereich zur Urbanität in Afrika abgelehnt wurde.
"Das Thema war so spannend, dass wir einfach weitergeforscht haben", sagt der Professor am Fachgebiet Raum- und Infrastrukturplanung im Fachbereich Architektur der TU.
Die Beharrlichkeit wurde drei Jahre später doch noch belohnt: Die Hans-Böckler-Stiftung in Düsseldorf und die Graduiertenschule für Stadtforschung URBANgrad, eine fachbereichsübergreifende wissenschaftliche Einrichtung der Technischen Universität Darmstadt, bewilligten die Förderung für ein gemeinsames Promotionskolleg mit dem Titel "Strukturwandel und nachhaltige Versorgung afrikanischer Städte".Zusätzlich nahm die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) je einen Partner aus Darmstadt und Frankfurt in ihr Schwerpunktprogramm "Adaption und Kreativität in Afrika" auf.
Die Urbanisierung und Verstädterungsdynamik ist nirgendwo in der Welt so ausgeprägt wie in Subsahara-Afrika. Städte wie Dar es Salaam in Tansania oder Nairobi in Kenia wachsen jedes Jahr um mehrere hunderttausend Einwohner – was sie vor enorme Herausforderungen stellt, nicht zuletzt im Versorgungsbereich.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der TU und der Goethe-Universität schauen in ihrem gemeinsamen Promotionskolleg ganz genau hin: Sie untersuchen historische, gesellschaftliche Veränderungen ebenso wie die Auswirkungen auf die Energie- und Wasserversorgung, die Abwasserentsorgung, das Transport- oder Telekommunikationssystem.
Ungeplante Siedlungsentwicklung
Mit den Hochschulen in den beiden Hauptstädten in Ostafrika unterhalten die Wissenschaftler schon seit Jahren Kooperationen. Ausgewählt haben die Forscher Dar es Salaam und Nairobi, weil die Metropolen zahlreiche Gemeinsamkeiten aufweisen und somit besser zu vergleichen sind.
"Beide sind ehemalige britische Kolonialstädte mit starken Bevölkerungsanstieg und ungeplanter Siedlungsentwicklung", sagt Prof. Dr. Jochen Monstadt. Kenia sei als Wissenschaftsstandort dynamischer, jedoch die Sicherheitslage dort schwieriger und die ethnischen Spannung seien größer als in im wirtschaftlich stärker wachsenden Tansania, so der 48-Jährige.
Löchriges Versorgungsnetz
Die Darmstädter und Frankfurter Wissenschaftler und Promovierenden untersuchen bei ihren Forschungsvorhaben unter anderem das Wasser- und Abwassersystem der Hauptstädte. In der rund 4,8 Millionen-Einwohner-Stadt Dar es Salaam handelt es sich bei bis zu 80 Prozent der Siedlungen um ungeplanten Städtebau, wo kein flächendeckender Anschluss an zentrale Strom- und Wassernetze vorhanden ist und alternative Lösungen die Versorgung gewährleisten, etwa Wasserkioske und -händler oder informelle "Spaghetti-Leitungen", häufig jedoch zu hohen Kosten.
Zugleich sind nur rund zehn Prozent der Bevölkerung an ein zentrales Abwassernetzsystem angeschlossen, mit entsprechenden hygienischen und gesundheitlichen Folgen. Eine Promovierende befasst sich daher unter anderem auch mit der Frage, wie die Rolle von Frauen in Siedlungen ohne Sanitäreinrichtungen aussieht.
Die Forscher untersuchen jedoch auch Themen wie die Regenwasser-Bewirtschaftung, das Transportsystem oder die Internet-Entwickler Communities in den ostafrikanischen Metropolen. Wie verändert es die Infrastrukturversorgung und Stadtentwicklung, wenn rund 90 Prozent der Einwohner ein Handy besitzen und damit zunehmend mittels der in Kenia erfundenen mobilen Währung M-Pesa Bus oder Strom- und Wasserrechnungen bezahlen?
Internationale Teams entwickeln Vision der "Netzstadt"
Um diese Fragen zu ergründen, verbringen die Promovierenden und Wissenschaftler mehrere Wochen und Monate im Jahr zu Feldforschungen in den afrikanischen Städten. Die Doktoranden des Afrikakollegs sind eine sehr interdisziplinäre und internationale Gemeinschaft. Sie stammen aus Frankreich, Belgien, Indien, Deutschland, drei ostafrikanischen Ländern; sind Städte- und Raumplaner, Architekten, Geografen oder Historiker.
Stehen am Ende ihrer Forschungsvorhaben auch Handlungsvorschläge? "Es geht vor allem um Grundlagenforschung zur Geschichte und aktuelle Trends afrikanischer Städte und ihre Planung, weniger aber um die Beratung afrikanischer Kollegen oder Praxispartner", so Prof. Dr. Jochen Monstadt, der den Begriff der Entwicklungshilfe umgeht und als Ziel lieber "einen verbesserten Wissenschaftsaustausch" nennt.
Der 48-Jährige selbst hat sich bei seinen Feldforschungen auf den Aspekt der "Netzstadt" fokussiert. Network-City ist die Idealvorstellung der modernen Stadt, in der in allen Bereichen und Stadtbezirken einheitliche Preise, Qualität und flächendeckender Zugang etwa zu Strom, Wasser, Gesundheitseinrichtungen oder öffentliche Transportmitteln herrschen.
Ein Zustand, von dem afrikanische Megastädte weit entfernt sind. In Dar es Salaam, so Monstadt, sieht die Realität so aus, dass nur 30 Prozent der Bevölkerung Zugang zu einer zentralen Wasserversorgung haben. Der Darmstädter erforscht, inwieweit Prinzipien der Netzstadt Eingang in Planungs- und Entwicklungsprozesse finden, inwieweit aber auch alternative Modelle einer modernen Stadt entstehen.