Mit Donuts und Brezeln durchs Dickicht der Zahlen
Wissenschaftler erkunden „uniformisierte Strukturen in Arithmetik und Geometrie“: Darmstädter und Frankfurter Mathematiker bündeln ihre Kräfte, um vertrackten mathematischen Problemen Herr zu werden. Das hessische Forschungsförderungsprogramm LOEWE fördert sie dabei mit 3,5 Millionen Euro für vier Jahre.
Selbst eine Million Dollar Preisgeld und 17 Jahre Zeit haben nur gereicht, um eines der sieben „Millenium-Probleme“ der Mathematik zu lösen, was viel über die Schwierigkeit der vom renommierten Clay-Institut im englischen Oxford ausgelobten Aufgaben sagt. Da wünschen sich Mathematiker Rezepte, wie man komplexe in einfachere Probleme umwandelt. Diesem Ziel widmet sich der neue LOEWE-Schwerpunkt „Uniformisierte Strukturen in Arithmetik und Geometrie“, bei dem Mathematik-Teams der Technischen Universität Darmstadt und der Frankfurter Goethe-Universität ihre Kompetenzen koppeln.
„Gemeinsam wollen wir eine kritische Masse erreichen, um in kürzerer Zeit tolle Ergebnisse zu erzielen“, sagt Professor Dr. Jan Hendrik Bruinier vom Fachbereich Mathematik der TU Darmstadt. „Die zusätzliche Manpower wird uns auch helfen, mehr internationale Sichtbarkeit zu erreichen“, ergänzt Professor Dr. Martin Möller vom Institut für Mathematik der Goethe-Universität.
Donuts und andere Objekte
Die Mathematiker wollen knifflige geometrische Objekte durch deutlich einfachere ersetzen – einen Donut oder etwas verwickeltere Formen wie eine Brezel durch jeweils eine Ebene. Dabei sind diese Beispiele noch recht anschaulich. Für Mathematiker kann ein geometrisches Objekt noch viel mehr Dimensionen haben als die für Menschen vorstellbaren drei Raumrichtungen. Solche Gebilde zu vereinfachen ist ein extrem verzwicktes Unterfangen, das die renommierten Mathematiker im LOEWE-Schwerpunkt eine Weile beschäftigen wird.
Doch warum sich die Mühe machen? „Komplexe geometrische Objekte stellen Lösungen von schwierigen Problemen dar“, erklärt Bruinier. Grob kann man sagen: Wer die Geometrie vereinfacht, macht auch die Lösungen, die sie repräsentiert, leichter zugänglich. Ein Beispiel sind so genannte elliptische Kurven. Sie sind die graphische Repräsentation von schwer lösbaren Gleichungen, die durch so genannte Polynome gegeben sind. Wenn man von der polynomialen Gleichung y=x2 zum Beispiel zu y2=x3+1 übergeht, so erhält man statt einer einfachen Parabel eine elliptische Kurve.
Elliptische Kurven werden täglich millionenfach für Verschlüsselungen im Internet genutzt, wo sie dank ihrer Komplexität schwer zu knacken sind. Auch beim ersten Millenium-Problem, der „Vermutung von Birch und Swinnerton-Dyer“, geht es um elliptische Kurven. Die geometrische Repräsentation solcher Kurven sind Runden, die man auf einem Donut durch dessen Loch in der Mitte dreht. Durch die Uniformisierung hoffen die Forscher, mehr über die „Lösungsmengen von polynomialen Gleichungen“, wie Bruinier sagt, herauszubekommen.
Komplexes auf dem Billardtisch
Aber auch der umgekehrte Weg, von der vermeintlich simplen Ebene zu komplexeren Geometrien, kann fruchtbar sein. Dann nämlich, wenn sich Mathematiker schon sehr viel mit der anspruchsvolleren Geometrie beschäftigt und Methoden entwickelt haben, mit ihr umzugehen. Ein Billardtisch ist von seiner Geometrie her zwar denkbar einfach: eine flache Platte. Eine Kugel verläuft darauf auf physikalisch berechenbaren Bahnen. Dennoch kann es schnell kompliziert werden. Etwa, wenn man fragt, ob die Bahn einer einmal angestoßenen und ewig rollenden Kugel den Tisch gleichmäßig abdeckt oder nicht. Noch schwieriger wird dies, wenn die Tischfläche eine andere als die quadratische Form annimmt, ein „L“ zum Beispiel.
Dieses Problem behält seine Symmetrien, wenn man den Billardtisch in eine Art Brezel umwandelt: in einen Schlauch mit drei Henkeln. „Wir kennen viele Verfahren in solchen ‚Brezel-Räumen’“, erklärt Möller einen Vorteil dieser geometrischen Verkomplizierung. Die „Brezeln“ seien zudem flexibler, sagt Möller, man könne sie zum Beispiel einer Scherung aussetzen, ohne dass sich die Lösungen veränderten, während eine solche Verformung beim Billardtisch den Verlauf der Kugelbahnen verändern würde.
Der LOEWE-Schwerpunkt werde dazu beitragen, diese verwickelten Räume noch besser kennen zu lernen, sagt Möller. Die „Brezeln“ können viele verschiedene Formen annehmen und doch Brezeln bleiben, solange sie nur drei Löcher haben. „Aber wir wissen noch wenig darüber, welche weiteren Eigenschaften die Brezeln als Ganzes betrachtet miteinander teilen“, erklärt Möller.
Neuland wie dieses wollen die Mathematiker um Bruinier und Möller nun erobern. Beide sind fasziniert von Zahlen, der Arithmetik, und dem Zusammenfließen dieser mathematischen Teildisziplin mit anderen in ihrem Forschungsgebiet. Sie wagen sogar zu hoffen, der Lösung eines der Millenium-Probleme des Clay-Instituts näher zu kommen.
Christian Meier
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Neuer LOEWE-Schwerpunkt
Der neue LOEWE-Schwerpunkt „Uniformisierte Strukturen in Arithmetik und Geometrie“ geht der Grundfrage nach, ob sich komplizierte geometrische Räume durch einfache Räume beschreiben lassen, um so neue Anwendungsfelder etwa in der Mathematischen Physik zu erschließen. Das Konzept der Uniformisierung erlaubt es, einen komplizierten geometrischen Raum durch einen deutlich einfacheren zu ersetzen, ohne die lokale Struktur zu verändern. Die Komplexität wird dabei durch innere Symmetrien des einfacheren Raumes beschrieben. Diese Grundidee hat sich als sehr effektiv erwiesen. Im LOEWE-Schwerpunkt sollen durch die Verbindung verschiedener Techniken der Uniformisierung neue Einsichten zu aktuellen arithmetischen und geometrischen Klassifikationsproblemen gewonnen werden.
Untersucht werden algebraische Varietäten, also Lösungsmengen von Gleichungssystemen, die durch Polynome gegeben sind. Wichtige Beispiele, etwa elliptische Kurven, spielen auch in Anwendungen in der Kryptographie und in der Mathematischen Physik eine bedeutende Rolle. Der LOEWE-Schwerpunkt (Sprecher: Mathematik-Professor Jan Hendrik Bruinier), an dem auch die Goethe-Universität Frankfurt beteiligt ist, wird mit 3,5 Millionen Euro gefördert.
feu